Start mit Verzögerung

Einfach losfahren - das Roadmovie ist vorprogrammiert. Mit meiner Kollegin "Mutti" und ihrer sechzehnjährigen Tochter "Blue Eyes" in Candy nach Venedig fahren. Die kleine, von Heimweh geplagte Tochter (14) abholen und nachhause begleiten, das ist das Ziel. Völlig ungeplant, mitten in der Nacht. Rendez-vous Mitternacht bei meiner Kollegin zuhause. Ich bin pünktlich. Der Kater möchte nicht, dass wir fahren. Er legt sich immer wieder demonstrativ mitten in den Weg.  Wir warten über eine Stunde - aber nicht auf den Kater oder etwa auf die sechzehnjährige, nein, auf meine Kollegin, auf Mutti. Blue Eyes und ich warten mehr oder weniger geduldig in der Küche auf sie und unterhalten uns prächtig. Inzwischen wird es etwa halb zwei Uhr nachts.

 

No worries, wie der Kiwi so schön sagt. Wir haben Ferien, wir haben keinen Stress. Mit etwas mehr als einer Stunde Verzögerung kann es schliesslich los gehen.

Ankertrunk

So, geschafft. Gute Musik im Radio und Mutti döst etwas vor sich hin. Schön, denn sie hat diese Ruhe mehr als verdient! Döse nur weiter, du bist sicher, Candy im Verkehr habe ich im Griff.

Das war die Fahrt. Gotthard kein Problem, Milano senza traffico, Poebene leer. In Coldrerio kurz zum Kaffee - Blue Eyes möchte Kebap, es ist halb vier in der Nacht. Danach weiter auf den italienischen Autobahnen. Wir und tausend LKWs (einer davon liegt sehr übel zugerichtet im Strassengraben) - that's it.

Nach etwas mehr als sechs Stunden erreichen wir unerwartet früh Cavallino bei Venedig. Die anderen, Familie Migi, holen uns bereits am Eingang ab. Sie fahren an den Wochenmarkt. Ich stelle unterdessen Candy auf und geniesse den Ferienbeginn, beginne mental anzukommen. Doch etwas müde ob der langen Fahrt genehmige ich mir nun einen Ankertrunk, wie beim Schiff. Der Rotwein zeigt seine erwartete Wirkung in der Hitze. Danach etwas in den Tag hinein dösen und erholen. Die Musik begleitet mich, Blue Eyes hat das gut gemacht, denn die Playlist stammt von ihr. Danke.

Venezia

Es ist schon Mittwoch. Wir beschliessen, nach Venedig zu fahren. Da ich als einziger erst vor kurzem noch dort war, mime ich den kleinen Reiseleiter. Wir fahren kurz vor Mittag los und warten erst mal lange auf den Bus. Die relativ kurze Busfahrt wird zu einem Abenteuer, weil der Fahrer wohl in seiner Freizeit auch noch Ralley-Rennen fährt. Na, immerhin haben wir kein Ticket dafür bezahlt. Glücklich angekommen besteigen wir in Punta Sabbioni ein Vaporetto und fahren zum Markusplatz. Die Kinder freuen sich auf die Stadt - sie waren noch nie da.

Der Markusplatz beeindruckt, wie immer wieder. Die altehrwürdigen Gebäude, die Grosszügikeit, der Prunk. Die kleine Familie sieht glücklich aus und ich denke mir: "Gut gemacht. Mit euch hier zu sein, bedeutet mir sehr viel. Es ist mega schön." Auf vielen engen und gewundenen Wegen, über zahlreiche Brücken, erreichen wir dann einige Kleidergeschäfte später den Ponte Rialto. Es hat wie immer noch tausende andere Touristen da, aber wir schaffen es, unsere Fotos zu machen. 

Auf der Rückfahrt trennen sich unsere Wege. Die Family nimmt einen Bus früher, ich gehe noch einkaufen. Ich möchte Rotweinrisotto kochen und dazu Salsice grillen. Leider wird das Risotto dann nicht ganz so toll, wie ich das geplant hätte - war wohl etwas viel Rotwein im Koch drin... Sorry Leute, mache ich wieder gut.

Donnerstag

Dieser Tag beginnt unerwartet früh. Zwischen drei und vier Uhr nachts diskutiere ich mit den Jungs unserer Gastfamilie Migi und Blue Eyes über dies und das, Gott und die Welt - ich liebe solche Momente. Das ist Leben, das ist echt.

Dann gehen wir doch noch einige Stündchen schlafen. Der Tag gestaltet sich wie erwartet sehr relaxt. Ich erfahre so einige Dinge, an welche ich mich nicht ganz genau erinnern kann... Aber heute heisst es: Geniessen, Brändi-Dog oder Uno spielen, viel Lachen. Die Kleine taut auf, sie geniesst es sichtlich, dass wir hier sind. Im Brändi-Dog ist sie unschlagbar und mobbt mich immer wieder. Ganz schön vorlaut, das Biest. Ihr Heimweh ist vorläufig weg. Die Stimmung ist fröhlich ungezwungen, familiär.

Abends gehen wir Pizza essen. Das heisst, wir essen Pizza, Mücken essen uns... the Circle of Life. Auf dem Weg zum Ristorante diskutiere ich mit Blue Eyes über das Leben - richtig philosophisch. Wir sind eine grosse Truppe von elf zusammengewürfelten Leuten. Genau so müssen Ferien sein. Leider ist für mich am Freitag schon wieder Schluss. Mal sehen, wer überhaupt mit mir in die Schweiz zurück fährt - es hat nämlich begonnen, ihnen unglaublichen Spass zu machen und sie haben von Familie Migi das Angebot erhalten, noch einige Tage länger zu bleiben. Richtige Märchenstimmung - ich liebe Kitsch!

Freitag

Hmm... das Märchen hat nicht so richtig gewirkt. Wir fahren wieder zu dritt nachhause. Immerhin bleibt die Kleine noch da - das Heimweh ist scheinbar überwunden. Der Abschied fällt - und das nur nach dieser kurzen Zeit - schwer. Es ist so ein erfrischendes Gefühl, nette Menschen kennenzulernen.

Candy führt uns sicher auf die Autobahn, auch wenn mein Navi Kathrin immer wieder dazwischen quatscht. Der erste Teil der Fahrt verläuft ziemlich ruhig, die Stimmung ist leicht gedrückt. Dafür ist auf der A4 mächtig was los. Die Gegenrichtung ist zwischen Verona und Mailand von einem riesigen Stau blockiert und auch bei uns hat es einiges an Action. Dann und wann überholt uns ein Motorradakrobat oder ein Stuntfahrer, was mir etwas mehr Aufmerksamkeit abverlangt. 

In der Schweiz angekommen geniessen wir ein leichtes Abendessen in der Raststätte Bellinzona. Blue Eyes sorgt derweilen dafür, dass ich die Ferientage nicht vermisse und mobbt mich fröhlich weiter. Sie macht das richtig gut - aber weit besser ist sie als DJ unterwegs. Candys Stereoanlage zeigt, was sie kann und wir fahren "Atemlos" durch den Gotthard (besser so, die Luft ist da drin sowieso nicht so gesund...). Auf der anderen Seite des Tunnels geht es fröhlich ins Tal "Abba" - natürlich ohne Kiss the Teacher.

Nach Luzern legt unser DJ dann etwas ruhigere Musik nach und stimmt mich bereits auf das Patent Ochsner Konzert vom Sonntag ein. Blue Eyes, du bist ein Schlitzohr - aber das weisst du ja schon. Wie gesagt, ich liebe Kitsch - und so kollern denn auch einige Tränen über die Wangen, als kurz vor der Heimausfahrt noch "These Days" gespielt wird. Ja, ich werde immer gerne an These Days mit euch in Venedig zurück denken. Danke, Blue Eyes, für diesen stimmungsvollen musikalischen Abschluss.

 

Der Roadtrip war ein voller Erfolg. Sonne, Strand, tolle Menschen, Venedig, Abschalten, Mobbing und Brändi Dog. Mutti: Du hast eine ganz tolle Familie - und das vor allem, weil du selbst toll bist. Danke und....Jederzeit wieder!