Schiefer Start? Na ja, es kann schon mal leicht etwas schief gehen. Beispiel? Es regnet. Das ist doch schon mal Schief 1. Zudem sollte ich unbedingt noch eine Bank und eine Post aufsuchen - doch es ist Sonntag. Das nenne ich Schief 2. Die Vorfreude auf die kommenden Wochen ist gross. Der Plan ist gemacht, die Fähre ab Genua morgen Abend gebucht. Fröschli ist aufgetankt und eingeräumt. Es kann eigentlich losgehen.
Die Fahrt ist dann schon etwas lang. Fröschli schnurrt aber prima über den Grossen Sankt Bernhard, vorbei an Aosta und über die Poebene. Nach Alessandria dann durch die Berge bis nach Genova. Wir erreichen den Hafen früh genug, dass noch etwas shopping angesagt sein kann. Schliesslich soll es ja Wi-fi im Bus haben.
Unser Schiff kommt direkt aus Nordafrika. Kaum zu glauben, welche Auto-Ruinen hier die Fähre verlassen. Ich habe schon viele Verkehrschaos erlebt, aber so was noch nie. Man fährt (von vier Spuren auf zwei zurückgehend) einfach bis man stecken bleibt. Jeder will er erste sein. Wenn die Hupe nicht reicht, dann knallt es halt mal - und genau so sehen die Karren auch aus. Man sieht viele Franzosen, einige Deutsche und Schweizer, einige Italiener - aber alle Fahrzeuge sind mit Nordafrikanern besetzt. Nach langem Warten dürfen wir sehr geordnet auf die Fähre fahren und unsere Kabinen beziehen.
Schluss für zwanzig Stunden - kein Empfang.
Nach einer ruhigen und sehr sonnigen Fahrt nach Genova sind Fröschli und ich auf die Fähre "La Suprema" der Fährgesellschaft GNV gefahren. Einen ganzen Tag verbrachten wir auf "hoher" See, entlang der Westküste Italiens. Eher spät am Abend erreichten wir Palermo. Gleich nach dem Verlassen des Schiffes konnten wir den typischen Verkehr Siziliens erleben: un casino! Però, funziona perfettamente. Luce rosso - non mi interessa, tre file di traffico - faciamo cinque. Es macht richtig Spass hier zu fahren. Jeder denkt, mit hupen geht es schneller. Ich fühle mich so was von zuhause hier!
Palermo ist eine arme Stadt. Die Leute leben einfach und machen aus ihrer Situation das Beste. Die Stadt lebt vom Charme der Menschen, und natürlich auch von den Touristen. Ich bleibe zwei Nächte auf dem privaten Stellplatz "Parcheggio Green" inmitten der Stadt, nur wenige hundert Meter von der Altstadt entfernt - alles in Fussdistanz, campen zwischen siebenstöckigen Wohnhäusern. Es braucht so wenig, um zufrieden zu sein.
Nachts schreien Menschen einander an, streiten wild auf Balkonen, Hunde bellen und Autos hupen noch immer. Es ist eine lärmige Stadt, wenn man sich darob aufregen will. Aber hey, es lebt, es pulsiert - das ist Leben.
Palermo zu verlassen war gar nicht so einfach. Nicht nur wegen des Verkehrs, aber natürlich auch. Das Leben tickt hier anders. Die Freundin sitzt hinten auf dem Roller, in der linken Hand zwei Espressi Freddi, in der rechten Hand die Dolci für Mamma, Füsse in der Luft, festhalten ist Luxus. Er sitzt vorne und fährt, als hätte er niemanden hintendrauf und als gäbe es etwas zu gewinnen. Im Corso mal links mal rechts an den Autos vorbei und wenn es öfters eng wird - hupen.
Monreale ist ein Bergdorf südwestlich von Palermo. Der Duomo ist gigantisch und vollständig mit Mosaiksteinchen verziert. Wer das wohl alles gemacht hat? Mich beeindruckt immer wieder von neuem, wozu ein starker Glaube Kraft geben kann. Die gebirgige Strasse führt dann via Partinico nach Balestrate ans Meer. Auf der Westseite des Golfes liegt das kleine Dörfchen Castellammare del Golfo. Es bietet einen unglaublichen Ausblick auf das türkisfarbene Meer.
Heute ist mal ein Fahrtag angesagt. Ich muss ja schliesslich auch einmal einige Kilometer zurücklegen. Der Plan: Vormittag nach Sciacca, dort in die Terme hüpfen (etwas Wellness muss schon mal sein, nach all dem Schön-Ists-Stress). Dann weiter bis nach Agrigento. Schon mein Morgen gerät aber unter Chaosbedingungen: das Gas ist aus! Kein Kaffee heute. Zudem ist auch Fröschlis Tank etwas leer und von Bleifrei 98 ist hier weit und breit nichts zu finden. Auch Markentankstellen verkaufen zwei bis drei verschiedene Diesel dafür nur ein Benzin, meist sogar nur 92 Oktan. Tipp an alle Sizilienreisenden mit empfindlichen Motoren: Genug Additiv mitnehmen! Ich löse also zuerst mal Treibstoffsorgen und kann erst später los.
Die Fahrt ist spektakulär und sehr schön. Ich erreiche Sciacca ohne Probleme und finde auch die wunderbare Therme. Leider ist sie aber wegen "Wassertrennungsarbeiten" geschlossen, dem Schild entsprechend für 90 Tage - so wie die aussieht, ist sie aber schon länger zu und wird es wohl auch noch bleiben. Wie immer fehlt es offenbar auch hier am Geld. Schade um das wunderbare Jugendstil-Badhaus. Ich fahre weiter nach Agrigento. Die Landschaft wird langsam öde, rötlich braun. Manchmal erinnern die Felsformationen an den Südwesten der USA mit den Canyons. Es ist wunderbar, immer im Hintergrund das türkisblaue Meer zu sehen. Ohne Probleme finde ich den Camping "Delle Templi". In Agrigento gibt es zahlreiche archäologische Funde und unter anderem auch viele Tempel der antiken Griechen. Die Kultur ist dann Programm von Morgen. Heute ist campen angesagt, erholen von der langen Fahrt und baden im Pool.
Heute ist Kultur angesagt. Ich übe mich in Griechischer Mythologie und der Götterwelt der Griechen. In Agrigento stehen noch zahlreiche Tempel der Griechen, allesamt aus der Vor-Römischen Zeit. Es nennt sich "Tal der Tempel" - obwohl die Steinhäufen alle auf einem Hügel liegen. Das antike Städtchen lag unmittelbar unterhalb im Tal, daher der Name. Die Tempel begrenzten die Stadt, beschützten sie gegen das Meer hin und bildeten den heiligen Bezirk. Zur Blütezeit sollen hier immerhin einige hunderttausend Menschen gelebt zu haben. Die Gefangenen wurden zur Fronarbeit gezwungen - anhand der grossen Tempel hatten sie damals viele Gefangene. Agrigento ist heute etwas entfernt auf dem Nachbarhügel gebaut. Nach der Eroberung durch die Karthager, die Römer und schliesslich die Araber wurde die antike Stadt vollständig zerstört. Erhalten sind nur einige Tempel oder deren Überreste. Die Normannen bauten die Stadt dann am neuen Ort wieder auf.
Nach so viel Kultur beziehe ich mit Fröschli Quartier auf einem anderen Campingplatz, direkt am Strand. Die Lage ist traumhaft, mitten in den Dünen und dennoch unter grossen Eukalyptusbäumen. Hier werde ich voraussichtlich zwei Tage bleiben. Baden im warmen Meer ist herrlich. Ich habe schon viele ältere Menschen aus Deutschland oder auch aus der Schweiz getroffen, welche hier dem kalten Herbst oder Winter des Nordens ausweichen und teilweise mehrere Monate im Womo unterwegs sind. Das Wetter rund um den Etna ist schlecht, auch an der Ostküste sieht es nicht besser aus. Der Süden hier ist der einzige sonnige Ort im Moment. Also: bleiben, solange die Sonne scheint.
Sehr selten seien die Septembermonate mit so viel Regen - das versichert man mir überall. Nur nützen tut es wenig - es ist trotzdem nass. Ich beschliesse, aufs Festland und dann nach Norden zu fliehen, dorthin, wo die Sonne scheint. Die Überfahrt von Agrigento nach Catania ist herrlich. Die Kalkberge, Schafe, Ziegen, karge und wilde Landschaften. Das alles ist so schön, mit dem türkisblauen Meer im Hintergrund. Trotzdem türmen schon wieder die Wolken, nachdem wir doch schon einen ganzen Tag Regen hatten in Agrigento (gestern, daher kein Eintrag...)
Heute ist Montag der zweiten Woche. Ich bewege mich Richtung Messina. Ziel der heutigen Fahrt ist Catania. In Catania halte ich kurz an, schaue mir die Altstadt an. Viele der alten Gebäude sind mit Lavasteinen gebaut - so auch der Duomo. Schon noch schön, so mit schwarzem Stein. Die Stadt hat einen eigenen Charme. Viele junge Leute tummeln sich hier, schliesslich hat es einige Universitäten, unter anderem die Juristische Fakultät von Sizilien. Mir gefällt die Stadt sehr gut, aber das nahende Gewitter treibt mich weiter. Ich lande schliesslich in Taormina, etwas nördlich von Catania. Die Fahrt hierher war sehr schön, auf schmalen Küstenstrassen mit vielen Dörfern. Ich bleibe auf einem privaten Stellplatz und übernachte gemütlich.
Also, heute ist eine relativ lange Fahrt angesagt. Zuerst mal bis nach Messina, dort auf die Fähre und danach dorthin, wo keine Wolken sind. Der Morgen zeigt sich wesentlich besser als gestern. Sonnenschein pur - so macht fahren Spass. Die Küstenstrasse nach Messina beweist, weshalb die Italiener so kleine Autos bauen. Oft muss ich den linken Spiegel einklappen und ganz am Rand stehenbleiben, damit der Gegenverkehr kreuzen kann. Anhalten tut immer der weniger Mutige - die Italiener sind unglaublich mutig! Messina wird erreicht, die Fähre gefunden. Die abenteuerliche Fahrt hat sich bei weitem gelohnt. Das war richtig toll!
Ich habe Glück und kann gleich an Bord fahren. Die kurze Überfahrt bringt mich aufs Festland. Dort beschliesse ich, nordwärts zu fahren. Bei Scilla halte ich an. Das wunderschöne Felsstädtchen mit seiner Burg, der Kirche und dem Sandstrand in der Bucht ist ein Besuch wert. Ich verbringe drei Stunden dort. Unterdessen türmen die Wolken im Norden so stark, dass ich umdrehe und nach Süden fliehe. Interessanterweise ist die SS 106 hier schon mit Taranto beschriftet, obwohl das viel weiter nördlich und erst noch in Apulien liegt. Bis weit runter, an die Südspitze Kalabriens fahre ich. Toll hier, wunderbare Gegend. Wilde Felsen, hohe Berge und alles direkt am Meer. Leider auch toll grosse Gewitter - bleiben will ich hier auf keinen Fall. Schwarzer Himmel ist nur was für die Nacht, nicht für den Nachmittag. Also Kehrtwende und auf der 106 wieder ab nach Norden. Vorbei an Scilla, bis rauf nach San Ferdinando. Die Wolken haben hier unterdessen ausgeregnet. Ich finde sogar einen Campingplatz, der noch offen hat und komme unter. Auf Kalabrien wird das mit dem Campen nicht mehr so einfach wie auf Sizilien. Hier ist die Saison vorbei und es ist ein viel ärmeres Gebiet als die eher reiche Touristeninsel. Heute habe ich den ganzen Tag Sonne geniessen können, bin dafür aber etwas im Kreis gefahren. Mal schauen, was morgen kommt.
Nun, auch beim Reisen muss man sich mal ausspannen. Sonne, schwimmen, lesen, sich in aller Ruhe mal langweilen. Macht Spass, so einmal dazwischen. Hier dennoch einige Eindrücke von einem sehr gemütlichen Tag.
Heute ist das Ziel, den Golf von Taranto zu erreichen, also die Ostküste von Kalabrien. Dazu folgen wir zuerst der Westküste nach Norden, vorbei an den vielen mittealterlichen Verteidigungstürmen entlang der Steilküste. Leider macht Fröschli das nicht lange mit. Wir landen in einer Fiat-Garage, irgendwo im Nirgendwo. Die Alternator-Lampe leuchtet, als wenn es kein morgen gäbe... Der Meccanico ist noch ein echter Bastler. Er hat das richtige Ersatzteil (Kohlenstifte des Alternators) im Lager und baut das auch noch ein. Weiter geht's.
Die Fahrt quer durch's Inland ist wunderbar. Unendliche Olivenhaine, Schafe und Kalkfelsen. Wir erreichen gegen Abend die Ostküste und Campen etwas südlich von Crotone, in Cropani Marina. Parken zwischen Oliven, Khaki und Feigen - mal was anderes.
Die SS 106 ist eine interessante Strasse. Ich habe sie schon im Abschnitt "…schneller als Gewitter…" befahren und sie war damals schon mit 'Taranto' beschriftet. Nun folge ich ihr also auf der anderen Seite des Gebirges wieder, diesmal mit dem Meer auf der rechten Seite. Viele Dörfer haben sich der Hauptverkehrsachse 'geopfert' - haben die Trottoirs zurückgebaut, damit die schweren und breiten Camions durchfahren können. An jeder Dorfeinfahrt gibt es Tankstellen und oft auch Hotels, die Zimmer mitunter stundenweise vermieten. Die Polizei ist sehr präsent, nicht wegen den Geschwindigkeiten.
Die Landschaft ist berauschend. Entlang der Hügel finden sich endlose Olivenhaine - Bäume soweit das Auge reicht. Auf der anderen Seite lockt das türkisblaue Wasser. Die Steilküsten sind mit zahlreichen Sarazenen-Türmen bebaut. Das sind alte Wehrtürme, welche zur Verteidigung gegen die Türken oder allgemein gegen die islamischen Völker der damaligen Zeit (Sarazenen) gebaut wurden. An einzelnen Orten finden sich sogar ganze Burgen, die Teilweise bis ins Mittelalter zurück bestehen.
Ich besichtige eine Burg und einen Turm. Dazwischen gehe ich auch immer wieder etwas durch die Dörfer. Die Gegend wirkt unglaublich arm. Die Häuser zerfallen und werden kaum repariert. Es herrscht in der Nachsaison eine etwas bedrückende Art von Ruhe. Viele Geschäfter sind geschlossen und man merkt, dass die Touristensaison vorbei ist. So ist es auch nicht einfach, einen Campingplatz zu finden, der noch offen ist. Ich lande in an einem wunderbaren Ort, direkt am Strand - umgeben von lauter Deutsch sprechenden Touristen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Ist irgendwie nicht meine Sache, so zu campen, aber für eine Nacht geht es.
Heute ist recht früh Aufbruch. Die 106 wird irgendwann zur Autobahn. Nun folge ich dieser bis nach Taranto. Damit ich die Stadt geniessen kann und nicht ausserhalb wohnen muss, gönne ich mir hier ein Hotelzimmer. Ich wohne im Hotel Europa, mitten in der Stadt, direkt am Wasser. Dazu kann ich Fröschli genau vor dem Haus parken (auf einem der etwa sieben Parkplätze des Hotels...)
Zu Fuss erkunde ich die Stadt. Eine sonderbare Mischung von arm, verfallen, verkommen und neu, aufstrebend, jung erfasst mich. Man spürt den Willen, die eigene Stadt zu pflegen und wird dennoch etwas getrübt von der Allgegenwart des fehlenden Geldes.
Die Stadt aber lebt. Das sieht man spätestens dann, wenn am späten Samstagabend die Geschäfte wieder öffnen. Die Flaniermeile ist zwar der Lungomare, der hier auf zwei Stockwerken ausgebaut ist. Die wahre Meile für "sehen und gesehen werden" aber ist die Fussgängerzone mit den Einkaufsläden, die Via Tommaso Nicola d'Aquino. Hier tummeln sich, wie auf einem Corso, alt und jung, alleine und in Gruppen. Man geht auf und ab, einkaufen ist Nebensache. Hier lebt die Stadt, es wird bis tief in die Nacht gebummelt und geschwatzt, gelacht und geschäkert. Es ist genau diese Art Leben, die mir manchmal in der Schweiz etwas fehlt.
Taranto ist durch den Kanal bei der Burg in zwei Teile geteilt - die Drehbrücke verbindet. Die alte Stadt auf der einen Seite steht in einem starken Gegensatz zur Neustadt. Während die neue Stadt wie ein Schachbrett aufgebaut ist und mit breiten Strassen zum flanieren einlädt, wirkt die Altstadt dunkel, geheimnisvoll. Könnten die zahlreichen historischen Palazzi Geschichten erzählen, sie würden ihr Publikum finden. Heute zeugen bloss noch grosse, breite Eichentore von einer reichen, goldenen Zeit. Längst ist sie vergangen. Um die Gassen und vor allem die Häuser in Schuss zu halten, fehlt es an Geld und wahrscheinlich auch an Engagement. So verkommt die Altstadt zu einem eher ungemütlichen Viertel mit allerhand zwielichtigen Gestalten und zahlreichen streunenden Hunden. Dennoch wirkt ein ganz eigener Charme auf den Besucher. An jeder Ecke zweigt ein Gässlein ab, von dem man nicht weiss, wohin es einen bringen wird.
Aus einer etwas breiteren Gasse ertönt Blasmusik. Eine katholische Marien-Prozedur beginnt. Die schwere hölzerne Figur wird zuerst eine steile Treppe hinunter getragen, danach von Musik und Gebeten begleitet durch die Gassen geführt. Am Fischerhafen wird der Verkehr aufgehalten, damit die Maria zum Wasser getragen werden kann.
Daneben werden die frisch gefangenen Fische dargeboten, Autos hupen und die Polizei hat allerhand zu tun. Ein Sonntagmorgen in Süditalien.
In der Neustadt flanieren die Menschen am frühen Nachmittag durch die Fussgängerzone. Danach trifft man sich zum Pranzo und zieht sich in die Familie zurück. Erst am Abend erwacht die Stadt wieder und die Gassen werden erneut laut und sind voller Leben.
In Apulien sind die Distanzen nicht so gewaltig wie noch in Kalabrien. So fahre ich denn früh los, der Küste entlang bis nach Porto Cesareo, auf der SP 122. Ein wunderbares Stück Küste. Die Strasse ist manchmal sogar etwas mit Sand bedeckt und folgt genau dem Strand. Auf der Landseite hat es ab und zu ein Dorf, einige Häuser. Es ist eine kurzweilige Fahrt mit vielen Stopps bis nach Cesareo. Dort beschliesse ich, heute schon ans Südkap, nach Santa Maria di Leuca zu fahren. Ich nehme nach der herrlichen Küstenstrasse dann ein Stück die Schnellstrassen SP 359 und SS 101. Immer wieder sehe ich alte, mächtige Olivenbäume und beginne mich zu fragen, wie es wohl unseren so geht...
Schneller als gedacht erreiche ich das Kap. Ich mache einen Mittagshalt und geniesse die Sonne. Meer von zwei Seiten - auch spannend, wie schon in Kalabrien. Die Fahrt nach Lecce verläuft dann wiederum durch unendliche Weinberge und Olivenhaine. Dazwischen riecht die Luft nach Orangen. Ich bin definitiv in einem Landwirtschaftsgebiet angekommen. Leider ist hier bereits schon alles zu, die Saison ist vorbei. So kann ich nicht, wie geplant, auf einem Olivengut (mitten im Baumgarten) campen. Ich muss in die Stadt ausweichen und wiederum ein Hotelzimmer nehmen. Wild campen ist hier zwar möglich, aber nicht unbedingt zu empfehlen.
Nachtessen in Lecce ist lecker, die Stadt macht einen sehr guten ersten Eindruck. Morgen werde ich sie noch etwas besser erkunden, bevor ich dann die lange Fahrt nach Norden antrete.
Von Lecce aus folge ich zuerst der Küste. Dann geht's ab in die Berge. Das Wetter wird schlechter, vom Meer her weht ein starker Wind und die Wolken werden schwarz. Ganz im Gegensatz dazu steht Ostuni - die weisse Stadt am Berg. Ein Städtchen wie aus einem Ferienprospekt. Enge Gassen, nur für kleine italienische Fahrzeuge geeignet, Gässchen für Fussgänger und alles weiss gestrichen. Mit blauem Himmel sähe das traumhaft aus, jetzt ist es halt nur einfach schön. Leider ist es etwas gar touristisch. Aber wenn man mit offenen Augen durch die Gässchen geht, entdeckt man manch schönen Platz.
Die Strasse von Ostuni nach Alberobello führt durch Olivenhaine. Hier sind die einzelnen Grundstücke mit Bruchsteinmauern (Trockenbau) voneinander getrennt. Auf vielen (übrigens sehr gepflegten) Hainen stehen Trulli - kleine Hüttchen zum Schutz der Arbeiter. Die Trulli haben aber auch einen anderen Sinn. Die Hüttchen sind auch nur mit trockenen Steinen aufgeschichtet. So können sie, wenn ein Kontrolleur vom Finanzamt kommt, schnell eingerissen werden - und man muss keine Steuern bezahlen für einen Steinhaufen... Das Prinzip hat sich seit den Königen von Italien bewährt. Die Trulli stehen heute unter Denkmalschutz und werden entsprechend vermarktet. Alberobello ist eine ganze Altstadt aus Trulli. Man fühlt sich etwas wie in Hobbiton.
Verlassen des Campings ist schwierig, wenn die Rezeptione nicht besetzt ist und niemand weiss, wo der Chef denn hin ist und wann er wieder zurück kommt. Der Tag beginnt wartend. Dafür regnet es sehr zuverlässig.
Von Alberobello führt der Weg dann über Noci, Goia del Colle, Altamura, Gravina in Puglia, Oppido Lucano nach Potenza. Wir verlassen Apulien. Ab Potenza gibt es dann eine Autobahn nach Salerno, Napoli. Die Fahrt über die Berge war herrlich schön. Steppe, verlassene Höfe, unendliche Weite und niemand da ausser einigen Schafen. Die Strasse verdient manchmal den Namen nicht und es ist schon ein hartes Stück Arbeit für Fröschli und für mich. Steigungen und Gefälle von über 12% sind keine Seltenheit, eng, kurvig - wie man es als Reisender halt eben mag. Die Autobahn ist danach direkt langweilig, obwohl auch sie durch atemberaubende Landschaften führt.
Als der Verkehr dann zunimmt, kommt wohl Salerno näher. Wieder einmal Küste und Meer! Super schön.
Ich finde einen Zeltplatz gleich bei der ausgegrabenen Stadt Pompei. Gemütliches zelten unter Mandarinenbäumen. Sehr gemütlich und südlich-mediterran. Fröschli will unbedingt neben Cassandra parken - weiss nicht, woher die beiden sich kennen - T3 müsste man sein.
Cassandra führt Mutter und Tochter nach Sizilien - die beiden machen es richtig, sie ziehen südwärts, wenn im Norden die Wolken aufkommen.
Ich besichtige Pompei in einer wunderbaren Abendstimmung. Schon noch eindrücklich, wie gut alles erhalten geblieben ist, so konserviert von der Asche. Drohend und zugleich beschützend steht der Vesuv im Hintergrund. Eigentlich sieht er noch ganz friedlich aus, der Berg.
Das Wetter scheint an der ganzen Westküste nicht besser zu werden. Ich beschliesse, das kleine Sonnenfenster zu nutzen und den Vesuv zu besichtigen. Dazu besteige ich einen altersschwachen Touristenbus und werde in richtig italienischem Fahrstil zum Berg gefahren. Der Fahrer ist echt der Hammer! Der kriegt jede Lücke. Oben am Berg haben wir Glück und können in einigen wenigen Sonnenfenstern den Krater sowie auch die Aussicht auf Napoli oder Pompei geniessen. Wandern auf Vulkanasche, Sicht in den Krater und etwas mystische Stimmung durch den Nebel. Das hat sich gelohnt. Somit bleibe ich noch eine (voraussichtlich regnerische) Nacht hier und fahre dann erst Morgen Richtung Toscana. Rom und Napoli werden wetterbedingt ausgelassen.
Das Wetter wird immer schlechter. Für die ganze Region Mittelitalien ist für die nächsten Tage Regen angesagt. Es beginnt mit heftigen Gewittern. Selbst in Pompei standen die Strassen schon unter Wasser - bin fast knietief durch Bäche marschiert, wo gestern noch eine Strasse war. Von dunklen Wolken begleitet starte ich die lange Fahrt Richtung zweite Heimat. Die Autobahn leistet dabei ihren Dienst. Ohne drohenden Seitenverkehr oder Gegenverkehr rollt sich entspannter auf der Flucht in die Sonne. Doch diese lässt auf sich warten. Erst deutlich nördlich von Rom wird es besser. Die schwarzen Wolken weichen ihre weit weniger bedrohlich wirkenden weissen Artgenossen und dazwischen zeigt sich mehr und mehr auch etwas blau.
Nach rund acht Stunden öder Fahrerei erreichen wir Castiglione della Pescaia. Dort mache ich nochmals zwei Nächte Fahrpause, um Freunde und Verwandte zu besuchen, die zufälligerweise ihre Campingferien in diesem Küstenort verbringen. Obwohl der Campingplatz fast nur von Schweizern belegt ist, geniesse ich den Austausch mit meinen Freunden. Ich merke jedoch auch, dass meine Reise langsam dem Ende zugeht.
Heimfahren in die Toscana - mal ein anderes Gefühl. Aber noch schön. Vom Süden her, nach einer sehr langen und interessanten Reise ist ankommen im Haus in Pastina wie heimkommen. Zuhause ist da, wo dein Herz ist. Ich bin daheim.
Vertraute Gesichter, vertraute Landschaft, vertraute Umgebung. Die kurze Fahrt bis hierher führt der Küste entlang, von Castiglione über Piombino nach San Vincenzo. Dann über Cecina und Pomaia nach Pastina. Fröschli hat bisher über 3000 Kilometer geschafft - nun hat der tapfere T3 einige Tage Pause.
Alles geht irgendwann zu Ende. Die Schlussfahrt wäre über den Gotthardpass geplant gewesen. Wir treffen jedoch zu spät im Tessin ein. Die Fahrt über den Pass bei Dunkelheit bringt nichts - wir nehmen den Tunnel. Noch einmal beweist Fröschli, dass in einem alten Fahrzeug eine Menge Spass steckt. Wir tuckeln flott und ohne Probleme Richtung Schweiz.
Die Reise hat mir vor allem eines gezeigt: Italien bietet so viel mehr. Ich werde viele Orte nochmals besuchen. Zum Schluss bedanke ich mich bei allen lieben Freunden, die mir Tipps gegeben haben, wohin ich gehen soll. Es war sehr wertvoll, mit einem kleinen Insiderwissen unterwegs zu sein.